Uns verletzbar zu zeigen widerspricht unserem supercoolen alles im Griff habenden Selbstbild. Unser Raubtierinstinkt redet uns ein, jeglichen Anflug von Schwäche zu verbergen, weil andere das sonst ausnutzen würden. Es braucht eine bewusste Entscheidung, dieses Selbstverteidigungsverhalten abzulegen, mit dem wir uns früher schützten. Wir entscheiden uns, unseren Schmerz mit anderen zu teilen. Wir gehen das Risiko ein, auch wenn es unserem Suchtdenken und alten, erprobten Verhaltensweisen widerspricht.

Unsere Bereitschaft, diesem Prozess zu vertrauen, wächst mit der Zeit. Vielleicht vertrauen wir unseren neuen Freundschaften in Genesung ein paar unserer dunkelsten Geheimnisse an, noch bevor wir unsere Inventur schreiben. Wir stellen fest, dass es uns anderen Menschen näher bringt, wenn wir uns verletzbar zeigen.

Auch wenn sich das Gerücht hartnäckig hält, dass ein Mitglied seine Inventur einst mit einem Taxifahrer teilte, werden wir wahrscheinlich kaum eine Person finden, die ihren Fünften Schritt mit jemand anderem als seinem Sponsor oder ihrer Sponsorin geteilt hat. Bis wir bei Schritt Fünf ankommen, haben wir genügend Vertrauen zu unserem Sponsor oder unserer Sponsorin gefasst, um ihrer Führung zu vertrauen und zu glauben, dass das, was wir mit ihnen teilen, vertraulich behandelt wird. Noch wichtiger ist, dass sie uns nicht bewerten oder unser Verhalten verurteilen – das tun wir schon zur Genüge selbst. Vielmehr helfen sie uns, unsere Scham und Peinlichkeit zu durchbrechen und zur Annahme zu gelangen.

Wir schauen darauf zurück, wie weit wir uns mit der Zeit schon geöffnet haben, und erkennen die Vorteile, die es hat, verletzlich zu sein. Die Erfahrung hilft uns, unseren Ängsten mutig zu begegnen. Wir finden die Freiheit, uns in den Meetings unverstellt und verletzlich zu zeigen. Wir erkennen, dass die Mauer, die wir zu unserem Schutz um uns herum errichtet hatten, uns in Wirklichkeit gefangen hielt. Wir bemühen uns, unsere Beziehungen auf eine Grundlage aus Vertrauen, Ehrlichkeit und Offenheit zu stellen.

Wenn wir aus der Tiefe unseres Herzens teilen, können andere uns dort treffen. Unsere Sponsees, uns nahestehende Menschen, Freundinnen, Freunde, Partner und Partnerinnen öffnen sich uns gegenüber und der Wert der Verletzlichkeit wird verstärkt. Wir machen die Erfahrung, dass wir uns verletzbar fühlen können, ohne dichtzumachen. Eine Süchtige beschrieb es so „Verletzlichkeit ist wie ein superstarker Sekundenkleber. Sie stellt eine Verbindung her, die unvergleichlich ist.”