Weihnachten allein, aber nicht einsam: Ein Blick auf meine besinnlichen Feiertage
Seit meinem 15. Lebensjahr verbringe ich Weihnachten überwiegend allein. Früher wartete ich, bis alle bei ihren Eltern fertig waren und dann verbrachte ich in der Konsumzeit die Feiertage mit Freunden, bei jemandem zuhause, in Bars und auch oft im Club. In diesen Jahren wurde mir bewusst, dass die Menschen, die mit ihren Familien feierten, oft gestresst und erschöpft zu mir kamen.
Der Kontaktabbruch zu meinen Eltern vor 12 Jahren zwang mich dazu, meinen eigenen Weg zu finden. Die ersten 2 Jahre waren für mich schwer, da ich die Illusion einer funktionierenden Familie, welche ich nicht kannte, vor meinen Augen hatte. Ich konnte dank der Jahre und Erfahrung lernen, dass es nicht mehr als eine Illusion ist, die ich mir vorstellte. Der Schmerz ging und ich fand meinen Mehrwert.
In diesen Jahren habe ich gelernt, die Freude an der Ruhe und den stressfreien Momenten zu entdecken.
Die Stadt, in der ich lebe, ist normalerweise hektisch und stressig. Doch zu Weihnachten scheint sie einen Gang runterzuschalten. Die Straßen sind leerer, der Trubel verschwindet, und die Ruhe zieht ein – ein Moment, den ich besonders schätze.
Einer meiner Leidenschaften ist das Zubereiten von köstlichem Essen und das Schenken an andere und an mich selbst. Die Rituale haben einen festen Platz eingenommen.
Meine Feiertage sind strukturiert und geplant. Bereits im Voraus überlege ich, was ich kochen möchte, welche Geschenke mich und vielleicht auch andere erfreuen können. Diese Planung bringt Ruhe und Vorfreude, im Gegensatz zum Stress, den viele Familien während dieser Zeit erleben.
Der Auszug meiner Nichte aus Ihrem Elternhaus vor vier Jahren verstärkte meine Entscheidung , Weihnachten anders zu gestalten.
Anstatt der scheinheiligen Liebe aus meiner Familie und dem Stress, welchen ich überall mitbekam, entschied ich mich für Ruhe, Genuss und bedingungslose Liebe.
Was unsere gemeinsame Tradition ist, ist es Obdachlosen am 25.12 Essen und Tee zu bringen, bevor wir unser Essen genießen.
Das erste cleane Weihnachten seit meinem 13. Lebensjahr war eine besondere Herausforderung. Die Tage vor den Feiertagen waren ungewiss, da ich mir nicht ausmalen konnte, wie die Feiertage clean sein werden. In diesem Jahr hatte ich auch mit der Trauer und den Schmerzen der Fehlgeburt zu kämpfen. Ich hielt an meinen Ritualen fest und nutze die Online Meetings und Face to Face Meetings in diesen Tagen häufig und teilte über meine Sorgen.
Eine inspirierende Geschichte aus einem Narcotics Anonymous Meeting blieb in meinem Gedächtnis: Jemand schmückte voller Freude für Weihnachten und verwandelte die gesamte Wohnung in eine leuchtende Wohlfühloase. Die Person zeigte voller Stolz in diesem Online Meeting ihre Wohnung. Das hat mich inspiriert, bereits Ende September mit dem Schmücken zu beginnen. Der Prozess selbst wurde zu einer Stressbewältigung und schuf eine angenehme Atmosphäre.
Ich habe gelernt, mir das aus den Feiertagen herauszunehmen, was mir Freude bereitet. Die Entschleunigung, die Vorbereitung, die Geschenke an andere und mich selbst – das sind die wahren Schätze der Feiertage. Die Tage sind für mich nicht mehr mit dem Stress von Familienfeiern belastet. Ehrlich gesagt, vermisse ich in diesen Momenten nichts. Denn Weihnachten allein bedeutet für mich nicht Einsamkeit, sondern die Freiheit, die Feiertage nach meinen Wünschen zu gestalten und zu genießen.